Der Puppenzwerg

Der Pupenzwerg – Das Märchen ist über 100 Jahre alt.

Hier das Märchen als .pdf-Datei.

[wpdm_file id=1]

Startseite

Alfred Hahns Verlag, Leipzig

2. Auflage. 5-8. Tausend (ca. 1910)

Peter Pips, ich muss es sagen, Und man wird es tief beklagen, Peter mit dem Schelmgesicht, Peter war ein Bösewicht. Was er kriegt in seine Hände, Fand sofort ein schrecklich Ende, Ganz egal, ob mein, ob dein – Alles riss er kurz und klein.

Peter Pips, ich muss es sagen,
Und man wird es tief beklagen,
Peter mit dem Schelmgesicht,
Peter war ein Bösewicht.
Was er kriegt in seine Hände,
Fand sofort ein schrecklich Ende,
Ganz egal, ob mein, ob dein –
Alles riss er kurz und klein.

Ach, wie auch die Mutter flehte,
Dass er es nicht wieder täte,
Wie sie weinte, warnt und droht
Und ihm ernstlich dies verbot –
Auch mit weisem Wort und Lehren
Suchte solchem Hang zu wehren –
Peter dachte doch bei sich:
„Was ich will, das tue ich!“

Kaum war sie davongegangen,
Hat er wieder angefangen,
Und mit Wonne ein – zwei – drei!
Schlug er jedes Ding entzwei:
Kochgeschirr und Küchenherdchen,
Schießgewehr und Schaukelpferdchen,
Hampelmann und Zinnsoldat
Und den ganzen Puppenstaat!

Vieles ließe sich berichten
Von den Streichen und Geschichten,
Die der Peter Pips vollführt
Reuelos und ungerührt.
Wie die Mutter mahnt und grollte,
Wie sie ihn verprügeln wollte,
Doch der Pips, der Bösewicht,
Lachte nur: „Du kriegst mich nicht!“

Einmal aber ist´s geschehen,
– Wie wir hier im Bilde sehen –
Das in einer dunklen Nacht
Peter plötzlich aufgewacht.
Und siehe da – in seinem Zimmer,
Geisterhaft in goldnem Schimmer,
Feierlich und weiß wie Schnee
Steht vor ihm – die Puppenfee!

Und eh´ er´s noch recht erraten,
Starrt die Kammer voll Soldaten,
Zinnsoldaten rings umher
Mit dem Säbel und Gewähr.
Ach – vor ihren grimmen Blicken
Möchte er sich in´s Dunkle drücken,
Doch die Geisterstimme spricht:
„Greift den Pips, den Bösewicht!“

Und schon fassen ohn´ Erbarmen
Hundert Fäuste fest den Armen,
Wie er strampelt auch und schreit,
Keine Rettung weit und breit!
Über finstre Treppengänge
Geht´s in grausigem Gedränge,
Und schon steht er – Ach und Weh!
Vor dem Thron der Puppenfee.

„Peter!“ ruft sie, „deine Sünden
Sollen jetzt die Strafe finden!
Werde denn, was du verdienst,
Bist du deine Schuld gesühnt!“
Und mit zürnender Gebärde
Steigt sie nieder zu der Erde,
Und den ganz verdutzten Knab´
Tritt sie mit dem Zauberstab.

Seht! Und wie ein seltsam Wunder
Fällt von ihm der Menschen-Plunder,
Und mit einem Mal – haha!
Steht als Zwerg der Peter da!
Steht mit wunderwinzig kleinen
Ach – und auch noch krummen Beinen,
Und die Nase, riesengroß,
Hängt ihm fast bis auf den Schoß!

Kaum, dass er so bös verwandelt,
Wird er weiter schon misshandelt
Und noch in derselben Nacht
In die Schneiderei gebracht.
Wie ein Türke muss er sitzen
Und bei Zwirn und Nadel schwitzen,
Bis er endlich recht versteht,
Wie man Puppenkleider näht.

Als dann alle Meister fanden,
Dass er diese Kunst verstand,
Kam er schleunigst in die Lehr´
Zu dem Puppen-Haarfrisör.
Hier auch musst´ er recht sich schinden,
Locken kämmen, Flechten binden,
Und gar lernen mit Bedacht,
Wie man die Perücken macht.

Dann zum Sattler und zum Schuster,
Und zum Puppenmaler musst´ er!
Und zuletzt – o bittre Qual!
In das Puppenhospital!
Hei! Da hieß es erst sich regen!
Bettchen machen, Krüppel pflegen!
Und für alles, was entzwei,
Lern er hier die Doktorei.

Seine Künste zu erweisen,
Musste Peter nun auf Reisen,
Wobei Baps, der Zinnsoldat,
Ihn zu überwachen hat.
So nach fernen Erdenteilen
Sieht man denn die beiden eilen
Eins-zwei-drei und wie der Wind,
Überall, wo Puppen sind.

Selbst bei Türken und Chinesen
Ist der Peter Pips gewesen,
Und sogar beim Eskimo
Wandelte und wirkt´ er so.
Neger, Inder und Indianer,
Hottentott´und Insulaner –
Und auf jedem Erdenteil,
Macht er alle Puppen heil.

Erst als dieses Werk vollendet,
Ward er wieder heimgesendet,
Und der Baps, der kommandiert:
„Linksum kehrt! Und abmachiert!“
Ach – schon winkt im Glanz der Sterne
Das geliebte Haus von ferne,
Und mit tiefem Seufzerlein
Tritt er in sein Stübchen ein.

O der bittre Herzensjammer,
Als er steht in seiner Kammer
Und mit schmerzlichem Gemüt
Sein verlass´nes Bettchen sieht!
Ach – wie selig, drin zu liegen!
In die Kissen sich zu schmiegen -!
„Aber nein -!“ hat er gedacht,
„Erst die Puppen heil gemacht!“

Und so sitzt er denn, der Arme,
Tiefgebeugt in wehem Harme,
Klopft und stickt im Sternenglanz,
Bis die letzte Puppe ganz.
Doch dann ist die Kraft zu Ende,
Zitternd sinken seine Hände,
Und es fängt der kleine Mann
Bitterlich zu schluchzen an.

Denn was er dereinst verbrochen,
Bals zerschlagen, bald zerstochen –
Alles sieht in langer Reih´
Wie im Traum an ihm vorbei!
Auch wie er so voll vom Bösen
Zu der Mutter stets gewesen -!
Und in Wehmut und in Schmerz
Zieht die Reue in sein Herz!

Kaum hat dies der Baps begriffen,
Ist er heimlich ausgeknissen
Und, im Herzen tief gerührt,
Zu der Puppenfee marschiert.
Vor dem goldnen Feensitze
Greift er stramm an seine Mütze
Und vermeldet dienstbereit:
„Königin! Er ist soweit!“

Seht! Schon rauscht sie durch die Lüfte!
Und im Hauch der Märchendüfte,
Mild verklärt vom Mondenschein,
Schwebt sie in das Kämmerlein.
„Peter!“ Spricht sie zu dem kleinen,
„Peter! Hör nun auf zu weinen,
Nicht umsonst war dein Bemühn,
Wer bereut, dem wird verziehn!“

Und mit lieblichem Erbarmen
Bringt ins Bettchen sie den Armen,
Deckt ihn selber lächelnd zu:
„Peter Pips, nun schlaf in Ruh!“
Und die Puppen all´ im Kreise
Singen ihm die Schlummerweise:
„Nicht umsonst war dein Bemühn,
Wer bereut, dem wird verziehn!“

Selig sinkt er so in Schlummer,
Und erlöst von allem Kummer
Schläft er, mollig zugedeckt,
Bis ihn früh die Mutter weckt.
Ha -! Gleich greift er fast erschrocken,
An die Nase sich und Locken,
Schaut verdutzt und fast es kaum:
„War denn alles nur ein Traum?“

Von der Zeit an, – wie wir lesen –
Ist der Peter brav gewesen,
Und nie mehr seit jener Nacht
Hat er `was entzwei gemacht.
Und erfasst ihn ein Gelüste,
Das er´s doch mal wagen müsste,
Zwinkert gleich der Hampelmann:
„Peter, Peter! Denke dran!“

4907 Aufrufe             2 Aufrufe heute